ausgabe #83. reflux. gerlad kuhn
bitte zurückbleiben!
Effiziente Anti-Solidarität im öffentlichen Verkehr
Technologische Verbesserungen (?) sollten Erleichterungen bringen und zu keinen zusätzlichen Erschwernissen führen. Sollten! Beispiele gefällig?!
Bankomat
Fall A: Amsterdam. Es gibt eine Neuerung. In den Straßenbahnen und Bussen der Amsterdamer Linien kann nur mehr mit Bankomatkarte bezahlt werden. Ja, und? könnte man fragen. Aber was ist, wenn einem die Karte gestohlen wurde, was macht eine BettlerIn, die gerade mühevoll das Geld erarbeitet hat und es gibt immerhin noch einige alte Menschen, die keine Bankomatkarte besitzen oder sich mit dieser sehr schwer tun. Ratloses Achselzucken. Immerhin kann mensch noch am Amsterdamer Bahnhof beim Automaten mit Münzen zahlen. Wenn mensch sich halt gerade am Bahnhof befindet.
Kein Zahlen möglich
Fall W: Wien. Nachtbus. Einstieg. Türen zu! Der Bus fährt los. Nein, im Wagen können keine Tickets mehr gekauft werden! Sie können ja in der Trafik oder beim Vorverkaufsautomaten in der U-Bahn-Station eins lösen. Wochentags um 1:30 Uhr in der Nacht? Dann hätten Sie vor dem Antritt der Reise den Kauf einplanen müssen. Wenn ich aber nicht vorhatte, mit dem Nachtbus zu fahren, darauf jedoch angewiesen bin, da der Zug der ÖBB Verspätung hatte? Pech! Dann gäbe es noch die App! Wenn mensch kein Internet am Telefon hat? Waaas, solche Menschen gibt es?
Durch diese technischen Neuerungen wird also ordentlich und in bester Manier „solidarisch“ ausgegrenzt. Der öffentliche Verkehr müsste (!) einen extrem einfachen, unkomplizierten Zugang für tatsächlich alle Menschen bieten, in moderner UND altmodischer Weise. Das lässt jedoch das von Effizienz geprägte kapitalistische Denken der VorständInnen nicht zu. Zusatzkosten, so die offizielle Begründung.
Ausgrenzung
Mit derartigen Maßnahmen befinden sich öffentliche Verkehrsmittel jedoch voll auf Schiene der Erschwerung. Ältere Menschen, Obdachlose, Menschen, die sich der modernen Technik plus Überwachung entziehen wollen, Nicht-Ortskundige, vom Regen überraschte RadfahrerInnen, betrunkene Nicht-AutolenkerInnen werden vom öffentlichen Verkehr solidarisch geschnitten oder zum Fahren ohne Ticket „gezwungen“. Das stößt sauer auf. Mann & Frau bedankt sich artig bei den Verkehrsbetrieben. Zurückbleiben, bitte!
Gratis Öffis
Die Mechanisierung macht auch vor Graz nicht halt. Die (teuren) Tickets müssen in der Straßenbahn längst am Automaten gelöst werden und nicht alle kommen damit zurecht.
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der öffentliche Verkehr unentgeltlich und zu 100% über Steuern und Abgaben finanziert werden sollte! Die Beispiele zeigen, dass es dringend notwendig ist.
Gerald Kuhn