ausgabe #83. statement. IG Kultur Steiermark
weniger networking, mehr solidarität
Statement der IG Kultur Steiermark
Die aktuelle österreichische Regierungspolitik ruft Ängste und Verunsicherungen hervor. Budgetkürzungen, Flüchtende, die nicht zu ihrem Recht auf Schutz kommen, Attacken auf Frauen, weil sie feministisch sind, ein Kopftuch tragen oder sich gegen sexuelle Übergriffe wehren, massive Einschnitte in die Arbeitsrechte und vieles mehr prägt die derzeitige Lebensrealität und verlangt Lösungen. Die neuen Maßnahmen und Diskurse der Regierung wecken aber auch in der Kulturszene Ängste, vor allem bei jenen, die nicht der politischen schwarz/blau/türkisen Ideologie folgen. Ende des Jahres 2017 wurde die neue Regierungspolitik bereits deutlich spürbar: die finanzielle Förderung von mehreren etablierten feministischen Vereinen wurde seitens des Frauenministeriums komplett gestrichen oder gekürzt. Dass Budgetkürzungen im Kulturssektor exitenzbedrohend sind, sowohl für Initiativen als auch für Individuen, wird in Zukunft wohl noch häufiger für Empörung sorgen, wenn sich die politische Leitlinie weiter auf öffentliche Subventionen auswirkent.
Es wird ein Klima geschaffen, in dem sich alle zunehmend als Teilnehmer*innen eines Wettbewerbs betrachten (sollen), die dann den „Preis“ – also Fördergelder – gewinnen, wenn sie den Förderstellen das „beste“ Projektvorhaben präsentieren. Dem ist jedoch nicht so. Es werden nicht die Besten, also jene unterstützt, die wichtige und wertvolle Arbeit leisten, vielmehr kommt der Matthäus-Effekt zum Tragen: Jene, die viel haben, können aufgrund der bessere Ausgangssituation (genügend Ressourcen, Personal, Infrastruktur) mehr leisten und bekommen mehr, jene, die weniger Mittel zur Verfügung haben, können weniger Output liefern und müssen sich in Zukunft mit noch weniger begnügen. Die Lösung scheint laut (Kultur)Politik denkbar einfach. Wer aus dem Subventionstopf nichts bekommt, soll sich um Netzwerke und Kollaborationen bemühen. Ist dies wirklich eine angemessene Lösung für die vorherrschende Problematik? Können wir diesen Lösungsansatz wirklich annehmen? Kann uns das aus der Misere helfen oder hilft es nur den (Kultur)Politiker*innen dabei, radikal individualistische und leistungsorientierte Politik zu implementieren? Und was ist eigentlich mit dem altmodischen Konzept von Solidarität, das in der Vergangenheit unterdrückten und marginalisierten Gruppen geholfen hat, im System zu überleben?
Mit der Zunahme an „Calls“, die Kollaborationen notwendig machen bzw. fordern, und der Herausbildung von verschiedenen (Arbeits-)Plattformen wird Solidarität immer häufiger mit „Networking“ verwechselt. Netzwerken, vernetzen oder networking entstand historisch gesehen im Untergrund als eine Überlebensstrategie und wurde von der neoliberalen Kulturpolitik vereinnahmt, um im Zusammenspiel mit Arbeitsgruppen eine lokale Kulturindustrie aufzubauen. Während Solidarität für die Netzwerke des Untergrunds als Grundprinzip des Arbeitens entscheidend war, ist das neoliberale Vernetzen leistungs- und zielorientiert. Was zählt, ist die Kulturproduktion, der „Output“ in Form von Veranstaltungen, Dingen und Symbolen, egal wie diese zustande kommen. Daher überrascht es auch nicht, dass Kulturarbeiter*innen mit Arbeit eingedeckt sind und die Kulturproduktion rapide steigt.
Neoliberale Kollaboration/Zusammenarbeit wird als win-win-Situation dargestellt, von der alle profitieren. Jene, die nicht an dieser Art der Kulturproduktion teilhaben können oder sich ihr verweigern sind dazu verurteilt, Projekte unter prekärsten Umständen durchzuführen oder diese aufzugeben. Die neoliberale Ausprägung von Kulturarbeit lässt keinen Platz für Solidarität, weil diese es verlangen würde, sich auf Kosten der eigenen Produktionsleistung um andere zu kümmern. Es würde bedeuten, sich auch dann umeinander zu kümmern, wenn es innerhalb der neoliberalen Logik nicht gewinnbringend für einen selber ist, weil der Gewinn in diesem Fall keine Leistung bzw. Produktion ist, sondern eine Beziehung, die Qualität der Beziehung zwischen Menschen, die an einem Netzwerk beteiligt sind. Solidarität meint auch die Anerkennung von anderen als gleichwertig, auch wenn sie nicht in gleichem Maße „Output“ abliefern können oder wollen.
Die IG Kultur Steiermark, als eine Organisation, die Kunst- und Kulturarbeiter*innen repräsentiert, strebt die Formierung eines solidarischen Bündnisses an, das Bewusstsein für die aktuelle Situation aller Kulturarbeiter*innen schafft. Es ist wichtig, die eigene Lage in der Kulturszene zu reflektieren, dabei nicht zu vergessen, wo deren Wurzeln liegen und auf welcher Seite man sich positionieren will.
Die IG Kultur Steiermark ist die Interessenvertretung und Anlaufstelle für Kunst- und Kulturinitiativen in der Steiermark. Nähere Informationen über ein solidarische Miteinader in diesem Rahmen auf: http://igkultursteiermark.at