ausgabe #85/86. editorial. evelyn schalk
editorial
das mindeste
Das Mindeste verringern, jenen nehmen, die am wenigsten haben, denen geben, die am meisten besitzen, das Wertvollste zu Fall bringen, jenen den Boden wegziehen, die sich kaum auf den Beinen halten können, sie aus dem letzten Gleichgewicht werfen, das noch blieb, nach denen treten, die längst am Boden sind.
Das ist das Programm der schwarzblauen Bundesregierung.
Das ist aber auch die Verantwortung des Zulassens. Die einer
SPÖ in der Opposition, deren Vorsitzende Vermögens- und Erbschaftssteuer
ablehnt. Die von Gewerkschaften, die 12-Stundentage hinnehmen und die
Aushöhlung von Arbeitnehmer*innen-
rechten. Die von Medien, die Zustimmung propagieren und Kritik fehlen lassen.
Es ist eine politische Verantwortungslosigkeit, die sehenden Auges begangen wird. Und alle werden es gewusst haben.
„When governments fall, citizens must act“, so ein Bürger*innenappell im „Letter to citizens of the EU from the ‚periphery‘“ [1].
Wenn Regierungen versagen, müssen die Bürger*innen handeln. Und das tun sie. In Österreich und quer durch Europa, in Ungarn, Serbien, Albanien, Frankreich und vielen anderen Ländern sind Menschen nicht mehr bereit, diesem Bahn-brechen der Gewalt, Abschottung und Entmenschlichung tatenlos zuzusehen und gehen seit Wochen und Monaten zu Hunderttausenden dagegen auf die Straße (mehr dazu regelmäßig auf www.tatsachen.at – „Das Jahr des Widerstands“). Wie sich der Widerstand weiter entwickelt, wird sich zeigen. Eines ist gewiss, in Gefahr sind Menschenrechte, soziale Werte, die Würde und das Leben jedes/r* Einzelnen. Das sollten die politischen Entscheidungsträger*innen begreifen, wollen sie nicht als Schuldige in die Geschichte eingehen, wenn diese Werte und damit die Basis für ein friedliches Zusammenleben fallen. „If those who are currently making decisions in EU capitals do not reconsider their policies, they are going to be remembered in history as guilty of the fall of universal human rights, values and human dignity.“ Aber nicht nur sie, sondern eine ganze Gesellschaft und jedes ihrer Mitglieder wird sich dann dieser Schuldfrage, der des Wegschauens, Zulassens und Mitverantwortens stellen müssen.
1. Letter to citizens of the EU from the „periphery“: Politics of the closed borders are bringing us closer to fascist rules
https://medium.com/are-you-syrious/letter-to-citizens-of-the-eu-from-the-periphery-politics-of-the-closed-borders-are-bringing-us-5e0f7012436e
Redaktioneller Hinweis:
Die aktuelle ausreißer-Ausgabe #85/86 ist eine Doppelnummer. Auf der zweiten Seite unserer Faltausgabe ist der Gesamttext des Stückes „Endlich wird die Arbeit knapp“ von Bini Adamczk, Martin Birkner, Heide Hammer, Käthe Knittler, Karin Korecky, Karl Reitter und Kurto Wendt publiziert.