ausgabe #17. bericht. peter silie
"das ist unser haus..."
Autonomes Kulturzentrum für Graz?
Während eine kurzfristige Besetzung durch eine Handvoll AktivistInnen eines ehemaligen Caritas-Heims in der Elisabethinergasse vor einigen Wochen ohne größeres öffentliches Aufsehen erfolgte, entwickelte sich rund um die Besetzung der seit Jahren leerstehenden Gebäude einer Schule in der Grenadiergasse ein gesellschaftspolitischer Diskurs, der auch von den StadtpolitikerInnen nicht ignoriert werden konnte.
Denn diesesmal konnte das Anliegen der AktivistInnen, ein autonomes Kulturzentrum mitten in der Stadt zu etablieren, nicht leichtfertig abgetan werden: Es waren einerseits wesentlich mehr entschlossene BesetzerInnen vor Ort (Motto: „Wir sind gekommen um zu bleiben!“), andererseits hatte man sich mit Erfolg bemüht, einen größeren SympathisantInnenkreis zu gewinnen: Man versuchte mit NachbarInnen und PassantInnen ins Gespräch zu kommen, Flugzettel und Plakate informierten über den Grund der Besetzung, man öffnete das Haus allen Interessierten mit der Aufforderung seine/ihre Ideen einzubringen, veranstaltete Partys und Grillfeste, organisierte Gespräche zu PolitikerInnen, eine eigene Mediengruppe gab Interviews, schrieb Presseaussendungen, lud zu Pressekonferenzen.
Einige Diskussionen drehten sich um die Eigentumsverhältnissen der Liegenschaft: Lange Zeit war nicht wirklich klar, wem denn nun dieses Haus gehörte. Schließlich stellte sich heraus, dass eine Immobilienfirma das Gebäude kürzlich von der Stadt Graz erworben hatte, die Stadt also wieder einmal öffentliches Eigentum willfährig einem profitorientierten Unternehmen verscherbelt hatte.
Nachdem die Polizei den Räumungsauftrag des Eigentümers in der Hand hatte setzte sie immer wieder Ultimaten, bis zu denen das Haus geräumt sein müsse. Von Seiten der BesetzerInnen war klar, dass man nicht freiwillig gehen würde, betont wurde aber immer wieder, dass man nur gewaltfreien, passiven Widerstand leisten werde. Trotzdem rückte die Polizei schließlich mit einem martialischen Aufgebot von mindestens 100 Polizisten an. Zwei Stunden später war das Haus geräumt.
Soziales Experiment
Nach drei Tagen Besetzung war der Traum der BesetzerInnen von einem selbstverwalteten Kulturzentrum in Graz vorerst von der Polizei beendet worden. Drei Tage hatten Menschen versucht Freiräume zu gestalten, durch kollektives Handeln Herrschaftsstrukturen und Besitzverhältnisse hinterfragt und ein soziales Experimentierfeld eröffnet. Das hat es in dieser Form in Graz schon länger nicht mehr gegeben. Verständlich deshalb auch die Euphorie der Beteiligten, in den Internetforen, aber auch von den SympathisantInnen hinter den Polizeiabsperrungen - wohl einige darunter, die etwas nostalgisch an die Grazer Besetzungen der 80er und 90er erinnert wurden. Jeder/Jede von der Polizei herausgeführte Aktivist/in wurde mittels lautstarker Akklamation für seinen/ihren Einsatz gefeiert.
Der Blick über Graz hinaus zeigt, dass hier um etwas gekämpft wird, dass in vielen anderen vergleichbaren Städten schon längst Realität ist. Verschiedene Projekte in Wien dürften allgemein bekannt sein, weit über 100 autonome Sozialzentren in Italien, die „Centri Sociali“ schon weniger.
Eines ist schon klar: Freiräume kann man zwar erkämpfen, werden aber immer mehr oder weniger von der kapitalistischen Verwertungslogik eingeholt, wenig verwunderlich also, dass das aus selbstverwalteten Zentren entstandenen Projektspektrum ein weites ist. Will man aber „die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen“ sind zweifellos viele autonome, untereinander vernetzte Zentren nötig, die sich eben jener Logik widersetzen.
Was Graz betrifft? Eine Aktivistin: „Wir kämpfen weiter!“
Stadträtin Kaltenbeck-Michl, bei der Räumung vor Ort, zeigte Verständnis für die Anliegen der BesetzerInnen, Bürgermeister Nagl hingegen sprach in einem Interview von einem „Irrtum“ der AktivistInnen, da sich das besetzte Gebäude nicht im Eigentum der Stadt befindet. Dieser Irrtum sollte sich beheben lassen.
Weitere Infos, Fotos, Audiofiles, Presseaussendungen, Foren:
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