filmrezension. diagonale 2005. ulrike freitag
Erik(A)
(A 2005) Regie: Kurt Mayer
Das Traurige am Kinobesuch ist ja, dass der Film – im besten Fall – das Angenehmste am ganzen Abend ist. Zugegeben, ich hab schon lange nicht mehr so viele Menschen vor dem Royal English Cinema gesehen. Es ist auch schon länger her, dass niemand während des Films telephoniert hat, oder seinem Sitznachbarn parallel zum Film die Handlung erzählt hat (es lebe das Diagonale Publikum!). Trotzdem, ich weiß warum ich so selten ins Kino gehe. Die Sitze sind unbequem, die Luft stickig, die auf dem Vorhang drapierten Stoffe zum Erbrechen kitschig, man will schon applaudieren, wenn die Stoffmassen endlich zur Seite gezogen werden. Erik(A) ist jedoch all diese Qualen wert, vor allem da man davon ausgehen kann, dass er nicht so oft im Fernsehen zu sehen sein wird, wie die hundertste Wiederholung einer Columbo Folge.
Die Biographie Erik Schineggers, der 1966 in Chile als Frau den Sieg in der Abfahrt holte, wird anhand von Interviews, Wochenschauaufnahmen und privatem Filmmaterial erzählt. Wer sich eine allgemeine Aufarbeitung der Genderproblematik erwartet, wird jedoch enttäuscht sein. Die Geschichte wird sehr subjektiv erzählt, ganz ohne, oder auch mit besonders vielen Klischees. Aber nichts davon wirkt konstruiert, oder aus den Mitwirkenden herausgepresst. Keine Meinung die in einen transferiert werden soll. Viele der sehr natürlich wirkenden Interviews sind so unterhaltsam, dass man Angst hat, die starke Erkältung die neben einem sitzt, wird sich vom nächsten Lach-Husten-Anfall nicht mehr erholen. Die eindrucksvollen Bilder des Films werden von der berauschend schönen Musik Olga Neuwirths begleitet, die verhindert, dass man die – teilweise zu lang geratenen – Landschaftsaufnahmen für eine Österreich Werbung hält.
Alles in allem eine gelungen Dokumentation, deren inhaltliche Lücken in der anschließenden Diskussion zwischen Regisseur, Autorin und Publikum, wenn auch nicht immer gefüllt, so zumindest erklärt wurden. Leider wurde das Gespräch nach einiger Zeit zu einer Selbstdarstellung der Mitwirkenden seitens des Publikums, weshalb ich meinen bereits eingeschlafenen Hintern erlöste, um mich zu den anderen Diskussionsfaulen ins Foyer zu begeben, wo bereits leise (Lobes)hymnen gesungen wurden.
Ulrike Freitag