ausgabe #55. lyrik. theresa gradinger
fromme schäfchen
Wir glauben, um einen Sinn zu sehen.
Wir glauben, um die Welt zu verstehen.
Wir glauben, um uns das Leben einfacher zu machen.
Wir glauben ziemlich viele Sachen.
Man sagt, wir sollen fromm die Kirchenbank drücken.
Man sagt, so könnten wir uns mit „Gottes Wille“ schmücken.
Man sagt, wir sollen uns vor Unzucht und Sünde bewahren.
Man sagt, dann würden wir zum Himmel auffahren.
Man sagt, wir sollen die Kirche tun lassen.
Man sagt, sie würde schon die richtigen Entschlüsse fassen.
Man sagt, wir sollen nicht selber denken.
Man sagt, dafür gibt‘s Leute, die uns lenken.
Sollen wir uns etwa von den Kirchbänken erheben?
Nach Höherem als der Gehorsamkeit streben?
Das Hirn einschalten?
Eigene Ideen entfalten?
Wir nennen Konflikte nicht beim Namen.
Amen.
Theresa Gradinger