ausgabe #63. maximilian h. tonsern
ich bin nicht
die toten zeigen: die liebe zu einem ist barbarei. sie wird auf unkosten aller übrigen ausgeübt. so auch die liebe zu gott. nietzsche, nietzsche, nietzsche. und jetzt, danach, sind wir alle charlie hebdo. wir werden alle zu opfern. wir müssen brüllen, müssen zeigen: wir haben keine angst. vor allem wir aus der großen, weiten journalisten-familie, wir zeigen nun: nicht mit uns. wir werden eins, egal ob der junge nachwuchsjournalist aus den bergen oder der alte bartbehängte, der kolumnen kotzt. barbarisch, nennen es die einen. es hat nicht nur charlie hebdo gegolten, sondern uns allen, fetzen die anderen. und so entsteht ein großes getöse, in dem man gerne namen mutmaßlicher täter veröffentlicht und sich an gar so lustigen neuen zeichungen erfreut, die selbstverständlich pressefreiheit im sinne haben. dem terror, so der tenor, geben wir keinen platz. bieten wir die stirn. das ertönt von ganz oben, von den staatschefs unserer je-suis-charlie-welt, die sich nicht davon abhalten lassen, buckelnd kondolenzschreiben für könig abdullah zu schreiben, welcher blogger zu tode peitschen lässt, das ertönt von ganz unten, wenn manch einer sich durch das ereignis seltsam gestärkter durch den alltag gehend erlebt. der schüttelt dann wütend die fäuste – wohin denn eigentlich?- und brüllt erneut, nicht mit mir, ich bin charlie hebdo, nicht mit uns, wir lassen uns nicht einschüchtern.
so?
nein, so einfach ist es nicht. denn ich bin nicht charlie hebdo.
Maximilian H. Tonsern