ausgabe #76. prosa. stefan heyer
kartographie #5 neuperlach
Wenn Maria Zeit hatte, studieren wollte, Anregungen brauchte, fuhr sie mit der U-Bahn einfach weiter oder einfach irgendwohin. Z. B. bis zur Endstation der Linie 7, bis nach Neuperlach-Zentrum. Hier war die Welt anders. Keine Altbauten, keine Pracht, kein König zu sehen. Keine Geschäfte für Reiche. Hochhäuser für Menschen, einfacher Beton, bei Fön die Berge zum Greifen nah schon. Und doch weit weg. Hier fuhr keiner in die Berge. Ein Ort, der gut in andere Großstädte passte. München war oft anders. Maria mochte das Andere. Sah sich die Leute genau an. Ihre Gesichter, ihre Sorgen. Hier war die Porsche-Dichte geringer. Dafür mehr Hartz IV. Tiefergelegte, ältere BMW. Viele hatten hier Zeit und weniger Geld. Anderswo hatten die Münchener auch Zeit, aber viel Geld. Manchmal wunderte sich Maria schon, wie das die Leute machten. Stundenlang im Café sitzen und trotzdem reich sein. In Italien schafften das auch welche. Maria hatte dafür wohl kein Talent. Dachte sie zumindest. Gerne fuhr Maria auch wieder fort. Leben wollte sie nicht in solchen Hochhäusern. Sie konnte es auch nicht.