ausgabe #78, romanauszug. barbara rieger
marie in mir und der muskelbepackte giitarrist
Auf der Bühne stehen vier Männer mit ausgeprägten Muskeln an Schlagzeug, Gitarre und Bass und machen einen auf Rockstar. Der am Mikro hat die größten Muskeln. Marie grinst. Sie nimmt mich am Arm, zieht mich zur Bar, bestellt weiße Spritzer, schiebt mich weiter nach vorn.
Die sind nicht mehr die Jüngsten, sage ich zu Marie. Die verbringen viel Zeit im Fitnessstudio. Dafür spielen sie gar nicht so schlecht, sagt sie, wippt mit dem Kopf und schiebt ihre Hüften hin und her. Sie lacht über die Scherze der Musiker, sie holt uns noch einen Spritzer, sie applaudiert, ruft Zugabe, pfeift. Die Band geht von der Bühne, ein DJ tritt auf, Marie tanzt. Als Einzige. Als Erste. Ich brauche noch einen Spritzer, sagt sie dann.
Marie geht zur Bar, über die Tanzfläche, an mir vorbei, geht direkt auf den muskelbepackten Gitarristen zu. Ich stehe in der Mitte des Raumes mit meinem Spritzer, ich sehe wie sie reden, ich frage mich, was sie reden, ich wundere mich, worüber die reden, die reden und ich stehe auf dieser Tanzfläche, auf der niemand tanzt, alleine mit meinem Spritzer. Ich zähle bis zehn, dann gehe ich. Nach Hause oder zu ihnen. Zu ihnen oder nach Hause. Ich zähle bis zehn.
Na du Groupie, sage ich zu Marie.
Der Gitarrist prostet mir zu. Wir reden nur ein bisschen, sagt er.
Er komme aus der Nähe von ihrem Heimatdorf, nur zwei Täler weiter, behaupten sie und suchen das Eck, über das sie sich kennen über Generationen und Musikrichtungen hinweg. Sie finden es nicht.
Wir spielen einfach zum Spaß, sagt er.
Das merkt man, sage ich.
Und du?, fragt er Marie.
Ich spiele um mein Leben, sagt sie.
Was spielst du?, fragt er.
Ich singe, sagt sie.
Ohne Band?
Mit dem Gitarristen, behauptet Marie, sei sie zusammen gewesen, das sei immer problematisch, sagt sie, wenn es dann in der Beziehung krache, dann krache es in der ganzen Band, dabei sei eine Band ohnehin wie eine Beziehung. Marie lacht.
Nur, wenn man es ernst nehme, sonst sei es wie Freundschaft, sagt er.
Friends with benefits?, fragt sie.
Ihm sei es lieber ohne Frauen, sagt er. In der Band, sagt er und lacht.
Das sei wieder typisch, sagt sie, muskelbepackte Männer als Rockstars und Frauen als Groupies.
Es sei einfach einfacher ohne Frau in der Band, sagt er.
Als ob Männer keine Zicken sein könnten, ruft sie.
Aber bei Männern gebe es keine sexuelle Spannungen, sagt er.
Wer sagt das?, fragt sie.
Er sage das, sagt er, Männerbands hätten doch genauso viel Homoerotik wie Burschenschafter, sagt sie, wie bitte, sagt er, verdammt, sagt er, so einen Augenaufschlag kenne er schon, sagt er, wie bitte, sagt sie, sie habe den perfekten Augenaufschlag, sagt er und jetzt sehe sie ihn aus ihren wunderschönen Augen so an, sagt er, ob er dabei den Faden verliere, frage ich.
Er sagt nichts, legt den Kopf schief, sieht sie an, er würde sie gerne küssen, sagt er und zieht sie zu sich.
Wie bitte, denke ich. Ich wende mich ab, ich drehe mich um, gehe davon, auf die Toilette. Mir ist schlecht. Ich wische die Klomuschel mit Papier ab, setze mich, warte.
Alles klar?, fragt Marie.
Geht so, sage ich.
Was willst du von dem?, frage ich.
Sie kichert.
Du Feministin, sage ich.
Sie pinkelt.
Interessiert dich der wirklich?, frage ich.
Er sagt, ich soll mit ihm in sein Hotel kommen, er würde sich freuen, wenn ich bei ihm liege und er mich hält, sagt sie und kichert.
Mir ist schlecht, sage ich.
Am besten du kotzt, sagt sie.
Ich kann das nicht, sage ich.
Finger reinstecken, sagt sie.
Das ist doch voll der Macho, sage ich. Der ist doppelt so alt wie du. Das mit dem Liegen und Gehaltenwerden glaubt doch kein Mensch.
Na und, sagt sie. Sie habe Lust, sagt sie, ich müsse was essen vor dem Saufen, sie müsse jetzt in dieses Hotel, ein bisschen liegen und gehalten werden, sagt sie und kichert und verschwindet und ich stütze meine Hände auf die Muschel und warte bis es vorbeigeht, warte, bis ich sie nicht mehr vor mir sehe, Marie und den Gitarristen, wie sie das Hotelzimmer betreten, wie sie sich anlächeln, wie sie sich küssen. Marie streicht über seine muskulösen Oberarme, über sein schütter werdendes Haar, fragt ihn, ob er Familie hat und hört ihm zu, lässt ihn reden, lässt ihn kommen, lässt ihn weitermachen. Er sagt, er wundert sich, dass sie mit so einem alten Typen- , sie hält ihm den Mund zu, er sagt, er habe noch nie mit einer Frau gefickt, die so geil und gleichzeitig so intelligent- , Marie sagt nichts, kommt ein zweites Mal, ein Mal für mich, denke ich, und schläft zufrieden gehalten ein, diese pseudofeministische Tussi, denke ich.
Barbara Rieger