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ausgabe #82. bericht. daniela sobocan

"parklets" – kreative aneignung von parkraum


„Ein Parklet ist per Definition ein kleiner, auf Parkplätzen eingerichteter Park oder Sitzbereich.“ Parklets „laden zum Verweilen, Plaudern, Spielen ein – und stellen zudem konsumfreien öffentlichen Raum für alle dar.“ (1) Die Idee dazu geht auf eine Aktion des Künstlerkollektivs Rebar in San Francisco zurück, die ein Parkticket lösten und die vorbeikommenden PassantInnen zum Verweilen einluden. Parklets gibt es inzwischen in vielen Städten auf der ganzen Welt, so auch in Wien. Hier wurde von Stadt Wien und Lokale Agenda 21 das Förderprojekt „Grätzloase“ ins Lebens gerufen, um Privatpersonen, Vereine, Schulen und lokale Unternehmen zu ermutigen, Anträge auf Parklets zu stellen.
In Parklets werden neue Sitzmöglichkeiten geschaffen, Gärten und Spielplätze errichtet, Stammtische und Workshops abgehalten, Lesungen und Konzerte veranstaltet, öffentliche Bücherschränke aufgebaut und vieles mehr. Der Ort kann auch dazu genutzt werden, um gemeinsam Schach zu spielen oder zu frühstücken und seine Erfahrungen auszutauschen. Der Kreativität sind also keine Grenzen gesetzt.
In Wien sind Chloé von Sous-Bois und Markus Hiesleitner PionierInnen in Sachen Parklet, die schon vor Gründung der Grätzloase auf die Idee kamen, dass man Parkplätze auch sinnvoller nutzen kann, als Autos darauf abzustellen.


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Chloé führt eine Papeterie im 7. Bezirk. Einmal in der Woche hält sie dort Workshops zum Binden und Kaligraphieren ab. Der Standort ist touristisch geprägt, mit zahlreichen anderen Geschäften und Restaurants rundum. Demnach herrscht auf der Straße relativ viel Autoverkehr, aber auch zahlreiche PassantInnen kommen vorbei.
Markus Hiesleitner hat sein Atelier in der Kulturdrogerie im 18. Bezirk, einer Ateliergemeinschaft, in der KünstlerInnen ihre Arbeiten realisieren und Experimente durchführen können, für die es sonst an Raum und Unterstützung fehlt. Im Grätzl herrscht eine hohe Diversität, Kultur­vereine, ArbeiterInnenwohnungen und Villenviertel finden sich hier. Zu den BewohnerInnen zählen aber auch MigrantInnen und StudentInnen. Auf der einen Seite sieht man leerstehende Geschäfte und auf der anderen teure Boutiquen. Die Straße ist eine Verkehrs- und Durchzugsstraße, die von vielen PendlerInnen benutzt wird.
Beiden, Chloé und Markus, ist es wichtig, die Straßen lebendiger, grüner und bequemer zu gestalten, so Möglichkeit zu schaffen, ihre NachbarInnen besser kennenzulernen und sich ohne einen Konsumzwang im Freien aufhalten zu können.
In der Kulturdrogerie begann alles mit dem dreiteiligen Projekt „Passagenwerk“. Die Kunst wanderte vom Atelier auf den Gehsteig und von dort auf die Parkplätze: Wo sonst Autos stehen, entstand ein temporärer öffentlicher Ausstellungsraum. Ziel des Projektes war es, die Barriere der Tür aufzulösen, um Hemmschwellen abzubauen und Kunst für alle zugänglich zu machen. Auch die Natur wurde auf die Parkplätze geholt, in Form eines Gartens mit Kräutern und anderen Pflanzen, aus dem sich jede/r bedienen konnte. Es ging um die Wiederbelebung des Straßenraums und gleichzeitig darum, der Kommerzialisierung entgegenzuwirken.
In einem späteren Projekt wurde ein Baum auf einem Anhänger platziert, dieser auf einem Parkplatz abgestellt und so der Widerspruch von verwurzelt und mobil thematisiert: der mobile Anhänger als Teil des Autos, wodurch ironischerweise wieder eine Referenz zur ursprünglichen Nutzung von Parkplätzen hergestellt wird. Der lebendige Baum hingegen bleibt mehr oder weniger statisch vor Ort, wo er sich lediglich ab und an im Wind wiegt.
Aber es wurden auch schon Ausschussgurken auf dem Parklet gestapelt, um auf die ennorme Lebensmittelverschwendung aufmerksam zu machen und einem Wunsch nach mehr Grün und Lebensqualität in der Stadt zu signalisieren. Die PassantInnen waren eingeladen, Gurken mitzunehmen, es kamen die unterschiedlichsten Leute vorbei, Kinder, junge Familien und ältere Menschen, um sich eine Gemüsejause zu holen. So gab es Gesprächsstoff in der Nachbarschaft, Rezepte und anderes wurden vor Ort getauscht und immer mehr Leute beteiligten sich. Ein Teil der Gurken wurden konserviert und bleibt als Ausstellungsobjekt im Atelier erhalten.
Die Parklets der Kulturdrogerie werden von unterschiedlichen nationalen und internationalen KünstlerInnen aus den verschiedensten Bereichen gestaltet. Zurzeit entsteht dort eine Arbeit der argentinischen Künstlerin Victoria Bonavia. Einmal tief durchatmen: Aus organischen Stoffen wird die Skulptur einer überdimensionalen Lunge entstehen.
Chloé wiederum erzählt über ihre Erfahrungen: „Ich habe die Nachbarn besser kennengelernt. Mit der Zeit trauen sich die Leute immer mehr das Parklet zu benutzen, sich mit den Kindern dort hinzusetzen ... Manchmal sind auch Leute da, die ich nicht kenne, z. B. TouristInnen. Ebenso habe ich dort ein paar Graphikdesigner kennengerlernt, während sie im Parklet gearbeitet haben. Eine super Erfahrung.“

Weiters meinte sie: „Ich finde es wichtig, dass man draußen sitzen kann ohne zu konsumieren. Und dass die Stadt nicht nur aus Verkehr besteht, sondern ein Ort ist, um zu leben und die Leute zusammenzubringen.“
Die Parkplätze werden also zu einem Ort des Verweilens, der Kommunikation und der Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur. In den Parklets manifestiert sich aber auch die Kritik an dem vorherrschen Paradigma der Städte, welches sehr viel Platz für Autos einräumt. Die Parklets werfen die Frage auf, wie Räume zu nutzen sind und wer das eigentlich bestimmt. Wieso sollte öffentlicher Raum für Privateigentum wie Autos zur Verfügung stehen aber nicht für eine gemeinschaftliche Nutzung? Gewohnheiten werden in Frage gestellt, individuelle Bewertungen thematisiert.
Mit den Parklets kommt der gesellschaftliche Wunsch nach mehr Lebensqualität, mehr Grün in der Stadt, nach einem besseren Nachbarschaftsgefüge und nach Aufenthaltsorten ohne Konsumzwang zum Ausdruck. In Wien können die Parklets in der Sommersaision von Mai bis Ende September/Oktober besucht werden. Und in Graz? Hier gibt es so ein Projekt noch nicht, aber wer weiß, vielleicht hat nun jemand Lust bekommen, den Parkplatz vor der eigenen Türe künftig ganz anders zu nutzen ...



(1)  Mobilitätsagentur Wien GmbH: Definition Parklet: www.streetlife.wien/ich-mach-ein-parklet [20.06.2018]


Daniela Sobocan

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