ausgabe #64. kolumne. florian scheuba im interview mit evelyn schalk
red line*
"Wir kämpfen um öffentliche Meinung!"
Als Staatskünstler macht er politisches Medienkabarett, das Auf- statt Verklärung mit den schärfsten Pointen der Nacht betreibt und satirisch-intellektuelle Analyse auf solider Recherche-Basis zum Programm erhebt. Derzeit zieht Florian Scheuba „Bilanz mit Frisur“ und spricht im Interview mit Evelyn Schalk über verarbeiteten Schrecken, entlarvende Statements, umgedrehte Trends, feigenblattlose Schamfreiheit und den Motor der Erregung.
ausreißer: Die Debatte um die Grenzen von Satire und Karikatur ist nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo nach wie vor nicht abgeebbt. Doch statt der Frage nach der Freiheit des journalistischen und künstlerischen Ausdrucks scheint mittlerweile jene nach dessen Grenzen im Vordergrund zu stehen. Schwingt in diesem 'Wie weit darf man gehen?' sowas wie Eigenschuldzuweisung mit, gar eine Täter-Opfer-Umkehr, oder dient die Diskussion eher der Ablenkung von zentraleren Aspekten? Wie sehen sie das?
Florian Scheuba: Eine allgemein gültige Antwort in dieser Diskussion gibt es nicht. Ich kann nur von Fall zu Fall entscheiden, wie und ob etwas gelungen ist oder nicht. Es gibt die Tradition des schwarzen Humors, eine Form von verarbeitetem Schrecken, dass man also Dinge versucht dadurch fassbar zu machen, dass man sie mit Humor nimmt. Das ist nicht jedermanns Sache und es kommt auf die jeweilige Situation an, ob das passt, aber prinzipiell ist das eine zutiefst menschliche Eigenschaft. Ich glaub' eher, dass die Debatte vielen dazu dient zu behaupten, wer aller wessen Gefühle verletzt. Das ist ab einem gewissen Punkt lächerlich. Wenn der Nationalbankgouverneur seine Gefühle verletzt sieht, weil der Michael Pammesberger [Anm.: Karikaturist des Kurier] Nationalbanker und deren Privilegien karikiert, ist das für mich so ein Beispiel. Bei Religionen seh ich das genauso. Meine Überzeugung ist: Ich hab etwas gemeinsam mit Mohammed, Jesus, Buddha, Jehova und allen anderen Menschen auf dieser Welt – ich bin eine Witzfigur.
Erst kürzlich hat Charlie Hebdo-Chefredakteur Gerard Biard darauf verwiesen, dass die Wahrnehmung geltenden Rechts, wie in Frankreich jenes auf Blasphemie, doch wohl keine Provokation darstellen kann...
Nein, im Gegenteil! Das Interessanteste an der Debatte ist ja, dass Leute manchmal recht entlarvende Statements von sich geben. Wenn in der Kronen Zeitung ein Leserbrief erscheint, in dem jemand schreibt, die Leute von Charlie Hebdo haben ihren Tod herbeigezeichnet und das wird einfach kommentarlos abgedruckt und es regt sich keiner auf darüber, dann finde ich das bezeichnend, so etwas lässt tief blicken.
Solche Sager sind leider kein Einzelfall. Regt man sich überhaupt noch auf oder wird man angesichts der Häufigkeit schon phlegmatisch?
Naja eh, über einige Dinge nicht mehr. Für mich ist es aber Teil meines Jobs, dass ich mich über manche Sachen aufrege und damit in die Öffentlichkeit gehe, weil ich das Gefühl habe, das ist untergegangen.
Da sind wir schon beim nächsten Punkt, jenem, dass man mit Satire oft mehr Information transportiert, als etwa mit einer klassischen Nachrichtensendung. Wenn ich z.B. an die Daily Show denke – da sind Sie ja mit den Staatskünstlern nahe dran und waren es auch sehr früh schon.
Ja, da gibt’s einen Trend in diese Richtung. Nur der ORF hat den Trend umgedreht und die Staatskünstler auf eine Sendung pro Jahr reduziert. Puls 4 versucht jetzt was zu machen, das in der inhaltlichen Ausrichtung aber mehr in die Mario Barth-Abteilung geht. Das ist nicht so meins, weil ich finde, dass es einen Unterschied zwischen Konsumentenschutz und dem, was politische Satire macht, gibt. Das hat manchmal Berührungsfelder, aber es auf Steuergeldverschwendung zu reduzieren, ist mir ein bissl zu wenig. Das ist ein sehr dehnbarer Begriff – wenn wir uns da hineinsteigern, ist irgendwann alles Steuergeldverschwendung, dann wird jede Kultur- und jede Minderheitenförderung in Frage gestellt.
Genau diese Anspielung war ja namensgebend für die Staatskünstler...
Mit dem Wort „Staatskünstler“ wird im klassischen Kronenzeitungsleserbrief ja praktisch jeder bezeichnet, der beim ORF ist. Wobei beim ORF in unserem Fall schon der falsche Ausdruck ist – ich bin ja nicht beim ORF, Gott sei Dank. Ich bin ein freier Mensch. Aber wenn man sich z.B. anschaut, wieviel Parteienförderung die Freiheitliche Partei Österreichs von den insgesamt ausbezahlten 195,3 Millionen Euro (Stand 2013) bekommt, dann sind das doch erst recht Staatskünstler. Der Begriff ist also schon lustig.
Koppelt man den Begriff Staatskünstler an den ORF, müsstet ihr ja fast den Namen des Formats ändern, nach der Reduzierung auf eine einzige Sendung pro Jahr, oder?
Wir waren immer schon ein Feigenblatt, jetzt sind wir ein Feigenbrösel. Das ist es, was übrig geblieben ist. Aber wer ohne Feigenblatt auszukommen glaubt, hat eben eine gewisse Schamfreiheit...
Ein ziemlich beliebtes Feigenblatt allerdings, die Reaktionen vom Publikum waren ja fast einhellig positiv, da besteht also doch Bedarf..?
Ja, wir haben sehr gute Reaktionen bekommen. Wir haben auch wahnsinnig lang diskutiert und entwickelt, bevor es diese Sendung überhaupt gegeben hat. Dadurch waren wir von Anfang an sehr unabhängig, denn ab einem gewissen Zeitpunkt haben wir gesagt, uns gefällt die Idee selber so gut, dass wir auf jeden Fall ein Programm rausbringen, egal ob es als Sendung realisiert wird oder nicht. Dann hat der ORF aber doch zugesagt und es gab parallel das Bühnenprogramm und die Fernsehshow. Die hat großen Spass gemacht, wobei ich aber auch dazu sagen muss: Es war unfassbar anstrengend!
Zuwenig Ressourcen?
Wir mussten alle 14 Tage 50 komplett neue Minuten machen und waren dafür nur zu dritt! Zum Vergleich: Jon Stewart [Anm.: Anchorman der Daily Show] hat an die 70 Mitarbeiter, bei der heute-show hab ich einmal gehört sind es ungefähr 40. Und wir haben gar keine! Kameraleute und Produktionsfirma, klar, aber inhaltlich gibt es niemand, der für uns arbeitet. Wir haben unter anderem davon gelebt, dass wir ein paar Investigativjournalisten zu unserem Freundeskreis zählen und uns mit ihnen ausgetauscht haben. Sie haben uns immer wieder Material gegeben, das war eine große Hilfe, aber eben die einzige! Wir mussten alles selbst er- und bearbeiten, aus dem Grund haben wir dann auch gesagt, in der Form können wir's nicht mehr machen, das übersteigt einfach unsere Ressourcen. So sind wir auf Staatskünstler unterwegs gekommen. Das wäre die Fortsetzung des Formats gewesen, mit mehr Anteilen draußen. In die Bundesländer fahren, so wie wir's mit Kärnten und für diverse Aktionen gemacht haben, statt durchgehend live auf der Theaterbühne Aber dann hat es vom ORF geheißen, es ist kein Geld da. Obwohl wir bereits in der Programmvorankündigung drin waren! Hat uns natürlich sehr leid getan, weil wir schon das Jahr geplant hatten. Kann man nix machen. Jetzt gibt’s einen Jahresrückblick im Dezember, basta.
Wart ihr dem ORF zu böse?
Da kann man nur mutmaßen. Man muss umgekehrt auch sagen, dass wir in der Zeit, in der wir die Sendung gemacht haben, alle Freiheiten hatten. Es wurde nicht dreingeredet, nicht einmal bei Geschichten wie unsere Niko&Laura-Reihe [Anm.: Parodie-Serie mit Nicholas Ofczarek als Niko Pelinka und Claudia Kottal als Laura Rudas], die natürlich auch ORF-intern Konsequenzen gezeigt hat. Da hätten wir eigentlich damit gerechnet, dass was kommt, eine Order – aber die ist ausgeblieben. Das muss man dem ORF anrechnen, diese Bereitschaft zur Selbstironie. Oder auch die Sache mit Richie und Alex [Anm.: Parodie der ORF-Direktoren Alexander Wrabetz und Richard Grasl im Jahresrückblick 2014]. Da hat man gehört, dass sie schon für die eine oder andere Unruhe gesorgt hat, aber es war nicht so, dass jemand zu uns gekommen wäre und gesagt hätte: Das geht nicht. Daher möchte ich dem ORF nicht unterstellen, dass die Staatskünstler aus inhaltlichen Gründen auf Eis gelegt wurden...
...aber ins Nachtprogramm hat man sie immer schon geschoben...
Naja, da beißt sich die Katze in den Schwanz. Sie sind mutig mit dem Programm, aber halt nach 23 Uhr, da ist man leichter mutig. An so einem Sendeplatz ist auch weniger Geld da...
Satire in Österreich – geht das überhaupt, wo doch jeder jeden kennt, man sich in gewisser Weise immer nahesteht, zusammenarbeitet etc.? Oder macht es das umgekehrt leichter, aber wirkungsärmer, so nach dem Motto: Schon ok, ist eben sein Job...
Das kommt drauf an. Von den Leuten, mit denen ich mich satirisch beschäftige, bin ich in der glücklichen Lage, die wenigsten privat zu kennen oder je kennen gelernt zu haben. Es gibt schon die These, dass man, wenn man wen persönlich kennt, eine gewisse Beißhemmung entwickelt. Das ist auch Thema in meinem aktuellen Programm, in dem ich zwei Beispiele anführe: Einmal bei Armin Assinger, wo's nicht der Fall war und einmal beim ehemaligen Minister Reichhold, da war's der Fall. Aber ich glaube nicht, dass die Kleinheit des Landes es schwerer macht. Wenn ich in meinem Beruf darauf achten würde, mit wem aller ich es mir nicht verscherzen sollte, dann geht das sowieso nicht auf. Das war immer Grundbedingung für das, was ich mache. Ich war immer der Meinung, dass Selbstironie dazu gehört. Wenn ich auf eine Bühne gehe, möchte ich mich selber ebenso durch den Kakao ziehen wie andere. Das gilt in Wahrheit für alle, prinzipiell im Leo ist da keiner.
Sie haben einmal geschrieben, „abseits von analytischer Schärfe [sind] die wirkungsvollsten und vom Gegner am meisten gefürchteten Treffer oft jene [...], die unter der Gürtellinie angesetzt werden.“ Also Intelligenz plus Emotion als Rezept für erfolgreiche Satire?
Ich glaub schon, denn wenn man's leidenschaftslos betreibt, wird’s irgendwann fad. Also ich kann mich auch wirklich über Dinge ärgern!
Schon noch?
Absolut. Der Motor ist gegeben. Sonst kommt man, glaub' ich, auf einen Beamtenstatus, wo man nur mehr abhakelt, was behandelt gehört. Die vorrangigste Frage, bevor ich auf eine Bühne gehe, was schreibe oder eine Fernsehnummer mache, ist immer: Was will ich sagen, was ist mir wichtig? Und das kann manchmal auch ein Detail sein, über das ich mich errege, das als solches keine große Wichtigkeit hat, aber eben von mir stellvertretend aufgegriffen wird.
Haben Sie mittlerweile eine Materialsammlung angelegt, auf die Sie zurückgreifen können? So nach dem Motto: Das Archiv ist die gefährlichste Waffe des Journalisten?
Naja, nicht so wirklich. Ich bin ein ganz altmodischer Zeitungsleser, schneide immer wieder mal Sachen aus und hebe sie auf. Das lohnt sich dann oft unerwartet. Aber ich müsste das systematisch betreiben, das ist eine Zeitfrage. Und obwohl ich auch manchmal journalistisch arbeite, sehe ich mich nicht in erster Linie als Journalist. Das können andere besser und im Idealfall arbeitet man zusammen und erfährt dadurch Interessantes.
Sind Sie manchmal auch überfordert angesichts der überbordenden Fülle an Material, das sich zum Aufregen anbietet?
Ja, eh. Aber das läuft nicht nach einem gewissen Schema ab, was einen aufregt, das sind manchmal mehrere Dinge gleichzeitig. Bei anderen muss es schon einen guten Grund geben, dass ich sie wieder aufnehme, wenn ich zum betreffenden Thema schon viel gesagt habe. Aber überfordert fühle ich mich nicht. Ich sehe es letztlich als Privileg dieses Berufs, dass ich das machen kann, dass das irgendwer liest oder sich anhört, ist nicht selbstverständlich.
Umgekehrt ist die Szene an politisch qualitativer Satire in Österreich überschaubar, da habt ihr ja ein ziemliches Monopol drauf...
Ja, aber man muss die Leute eben ein bisschen dazu verführen. Es gibt auch eine Tendenz beim Publikum zu sagen, ich will mich nur entspannen, nur unterhalten und nicht noch mit unangenehmen Dingen der Realität konfrontiert werden. Klar, solche Leute zu erreichen ist schwierig, aber versuchen muss man's trotzdem. Ich will ja nicht aufgeben und behaupten, damit hab ich nichts zu tun. Ich glaube eher, dass Satire helfen kann, mit all dem umzugehen. Denn vor Dingen, über die man lachen kann, fürchtet man sich weniger. Das ist ein wesentlicher Aspekt, finde ich. Solang ich daran noch glaube, möchte ich auch so weiter machen.
Ist der eigene politische Auftrag also immer noch im Hinterkopf, die Frage, kann man doch was ändern?
Naja, ändern ist relativ...
...bzw. wenn man Leute zum Nachdenken bringt, ändert man ja sowieso schon was...
Ändern – ich verändere nicht die Welt, aber ich glaube nicht, dass es l'art pour l'art ist. Ich erinnere mich z.B. noch, als Robert Palfrader und ich 2008 im Programm Männer fürs Grobe die Causa Birnbacher thematisiert haben [Anm.: der Skandal um das Gutachten von Dietrich Birnbacher beim Verkauf der Hypo Alpe-Adria an die BayernLB]. Das war damals noch nicht sehr bekannt und hatte den Effekt, dass viele Leute im Publikum gemeint haben, wir hätten uns das ausgedacht. Den „Patriotenrabatt“ fürs Gutachten, 6 Seiten für 6 Millionen Euro – das haben uns viele nicht geglaubt. Und die Reaktion von denen, die's doch geglaubt haben, war nachher oft: Ja, es ist alles ein Wahnsinn, aber sinnlos sich drüber aufzuregen, werd's sehen, völlig sinnlos. Und dann ist es eben doch zu dieser Verurteilung gekommen, weil sich ein Richter hingesetzt und gesagt hat, Herr Birnbacher, reden wir Tacheles. Ich schick' Sie in den Häf'n, das ist in Ihrem Alter nicht mehr angenehm, überlegen Sie sich, ob Sie nicht doch was sagen wollen. Dann hat er letztlich geredet und es kam zu Verurteilungen. Das ist ein Beispiel gegen diesen Fatalismus des 'Es nutzt eh nix, es ist völlig wurscht, ob man auf einer Bühne etwas thematisiert oder nicht.' Es war ein winziger Mosaikstein, den wir vielleicht geliefert haben, aber besser als nix! Es geht letztlich um öffentliche Meinung. Wir kämpfen um öffentliche Meinung! Es geht darum, dass solche Dinge behandelt werden. Wir kämpfen darum, dass die Abhörprotokolle vom Grasser gehört werden können, weil es juristisch eben so war, dass sie nicht gedruckt werden durften. [Anm.: Öffentliche Lesung von Florian Scheuba, Robert Palfrader und Thomas Maurer aus polizeilichen Mitschnitten von Telefongesprächen im Buwog-Skandal von Walter Meischberger, Ernst Karl Plech und Karl-Heinz Grasser, im Audimax der Universität Wien Anfang 2011] Es ist ein kleiner Partisanenkampf, aber ich halt ihn nicht für sinnlos.
Das heißt, es ist also doch möglich, aus der eigenen Szene raus zu gehen, nicht nur die Leute zu erreichen, die sowieso ins ins Theater kommen bzw. mit denen man ohnehin einer Meinung ist..?
Ja, die Gefahr ist natürlich immer gegeben, aber ich glaube schon, dass man gerade mit dem Kabarett unterschiedliche Menschen erreicht und vom Braten im eigenen Saft wegkommt.
Es ist öfter so, dass Zuschauer mir sagen, das hab ich nicht gewusst, das war interessant, ist horizonterweiternd für mich gewesen. Das freut total. Natürlich gibt’s Leute, die man nie erreichen wird, keine Frage, die Illusion darf man sich auch nicht machen! Aber wenn's ein bissl was auslöst, muss man schon zufrieden sein.
Gerhard Bronner bestand mir gegenüber in einem Interview einmal auf dem „Handwerk des Pointenschreibens“. Sehen Sie das auch so oder besteht die Gefahr, damit irgendwann beim Schenkelklopfer zu landen?
Ich würde Handwerk nur gelten lassen für das Setzen von Pointen. Das ist einfach ein Erfahrungswert, den man hat.
...ja, das meinte Bronner auch...
Die Art und Weise wie die Pointe gestaltet ist, würde ich nicht als Handwerk bezeichnen, denn da gibt’s soviele verschiedene Möglichkeiten. Für mich ist ein Wesen von Humor, dass er einen Überraschungsmoment hat. So etwas nach Schema F durchzuprügeln ist schwer und kaum sinnvoll. Ja, es gibt auch genügend Humorarbeiter, die das machen. Die bauen nach dem Motto 'Männer können nicht zuhören und Frauen nicht einparken' ganze Programme. Das geht nach einem gewissen handwerklichen Schema und findet sicher Zuschauer, denen das gefällt. Aber meins ist das nicht, so gesehen würde ich den handwerklichen Aspekt auch nur bedingt gelten lassen.
Ihre Karriere läuft gerade ziemlich gut, hat mit den Hektikern von Anfang an erfolgreich gestartet. Gab's zwischen damals und heute auch Auf und Abs oder war das wirklich so eine lineare Entwicklung?
Wir waren sehr große Glückskinder! Wir haben mit 16 begonnen, also vor 34 Jahren, hier ums Eck vom Café Eiles, das hieß damals Theater am Auersperg. Da sind wir reinspaziert und haben gesagt 'Guten Tag, wir würden gern bei Ihnen Theater spielen'. Der Direktor hat nichts Besseres zu tun gehabt, als zu antworten: 'Gut, wenn ihr mir die Tagesmiete (ich glaub', 3500 Schilling waren das damals) zahlen könnt's, kein Problem.' Und wir sind echt so größenwahnsinnig gewesen, uns zu sagen, 'Ja sicher, wenn wir jeden Tag ausverkauft sind, geht sich das aus. Also, das mach ma!' So haben wir uns für 10 Tage dort eingemietet und hatten das Riesenmasel, dass wir wirklich jeden Tag ausverkauft waren. Also waren wir der Meinung, das ist selbstverständlich, na klar, wenn man sowas macht, kommen Leute. Logisch, da kann man davon leben, denn nachdem wir die Miete bezahlt haben, ist noch was übrig geblieben für uns, also holladoro! Das zweite Programm haben wir dann zwischen schriftlicher und mündlicher Matura rausgebracht. Was ich damit sagen will: Es ist passiert, es war nie eine Planung, dahinter steckte nie ein Karriereplan à la bis dahin muss das und das erreicht sein, sondern es hat sich immer eins aus dem anderen ergeben. Wir hatten wirklich großes Glück. Aber auch ein großes Privileg, denn über die Jahre ist es mir eigentlich zum Wichtigsten geworden, dass ich mit Leuten arbeiten kann, die ich privat mag. Dass ich mir das aussuchen kann, ist sehr fein. Denn in dem Bereich ist das Private und das Berufliche sowieso nicht trennbar, das geht ständig ineinander über.
Das Management liegt ja auch in der Familie...
...ja, das hat auch große Vorteile.
War das immer so oder gab's da andere Arrangements davor?
Ganz früher bei den Hektikern hatten wir diverse Manager, unter anderem den Herbert Fechter. Aber auch das ist eine Erfahrung: dass jemand, zu dem man ein unmittelbares Vertrauensverhältnis hat, auf jeden Fall optimal ist.
Wie geht’s weiter? Einmal im Jahr Staatskünstler – und sonst?
Jetzt spiel' ich mal ein bissl solo, das aktuelle Programm ist eher passiert, also auch nicht geplant. Ich hatte einige Lesetermine mit meiner Kolumnensammlung Geht's? und hab bei diesen viel improvisierte, viele Geschichten erzählt. Da ist mir eingefallen, dass eigentlich ein paar alte Nummern auch dazu passen würden, also hab ich mich hingesetzt, noch einige Sachen neu geschrieben und auf einmal war das ein Programm. Ursprünglich war es als Jahresrückblick im Rabenhof Theater gedacht, dadurch waren auch keine Spieltermine mehr frei und da eh alles improvisiert werden musste, hab ich keine Tournee in dem Sinn, sondern eben Einzelauftritte. Macht aber durchaus Freude. Parallel dazu schreibe ich gerade an einem Programm, das ich zusammen mit Robert Palfrader machen werde, unser zweites gemeinsames. Premiere ist Anfang Oktober im Rabenhof. So ist der Stand derzeit, was weiter passiert – wird sich zeigen.
Am 26., 27. und 28. Mai gastiert Florian Scheuba im Theatercafé Hin & Wider mit seinem Programm Bilanz mit Frisur in Graz.
Weitere Infos und Termine sind auf http://florianscheuba.at zu finden.
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Medienmenschen im Gespräch: Wer macht die Story hinter der Schlagzeile?
Nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo ist es notwendig, die internationale Diskussion um Freiheit, Strukturen und Wirkung von Kunst und Medien nicht zu beenden, sondern im Gegenteil mit allem Nachdruck fortzusetzen und zu intensivieren. Wie angekündigt, gibt der ausreißer der Auseinandersetzung um Themen wie Pressefreiheit, Unabhängigkeit, Kontrollfunktion und Positionierung verstärkt Raum und stellt mit seiner neuen Interview-Reihe Red Line quer durch alle Bereiche Menschen in den Mittelpunkt, die tatsächlich Medien machen. Wir schauen hinter die Kulissen des Betriebs, gehen in die Tiefe der Branche und fragen jene nach ihrer Einschätzung der Entwicklungen, die sie selbst tagtäglich mitgestalten. Welche Headlines sind zu drucken, wo liegen die roten Linien, wer zieht, wer überschreitet diese oder schreckt davor zurück? Jede Zeile ein Statement, aber auf welcher Linie? Wo spannt sich der rote Faden und welche Sprache braucht es, um Zusammenhänge in Worte zu fassen? Wie radikal subjektiv sind Perspektiven und Arbeitsweisen, wie radikal kollektiv die Bedingungen, die diese bestimmen? Welche Verfahren im Umgang mit Meinungen und Informationen existieren und welche gilt es, zu entwickeln? Wie die bitter notwendige Kritik an Zu- und Missständen zu betreiben, wie Verantwortliche zu benennen, bestehende Verhältnisse zu analysieren und wie diese neu zu erdenken, erschreiben, erschaffen? Eine Red Line, die sich mit einfachen Antworten nicht zufrieden gibt, sondern nach eigen- und widerständigen Erfahrungen, Utopien und täglichen Strategien medialen und damit politischen Handelns fragt.